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B2

Modul 6. Stunde 3. Selbstmanagement

1. Zeit macht glücklich – und wie Sie mehr davon gewinnen (Quelle: Harvard Business manager)

 

Warum Sie nicht froh werden, wenn Sie nur dem Geld hinterherlaufen – und wie Sie in Beruf und Privatleben wahre Erfüllung finden. Erkenntnisse aus der Harvard-Glücksforschung.

Adam – seine Geschichte ist wahr, sein Name geändert – war ein guter Mitarbeiter, dem ein Traumprojekt übertragen wurde. Er glaubte, dass es ihm eine Beförderung und ziemlich sicher eine Gehaltserhöhung einbringen würde. „Arbeite hart, erledige den Auftrag, erhalte mehr Geld“ – so lautete die Formel, von der er überzeugt war. Er wusste: Er würde bis spät in die Abende und sicherlich auch am Wochenende arbeiten müssen, um das Projekt zu stemmen. Ihm war klar, dass dies bedeutete, dass er weniger Zeit mit seiner jungen Familie verbringen könnte.

Und natürlich wusste er, dass es anstrengend werden würde, die Fristen einzuhalten und die Erwartungen zu erfüllen, die mit dem Projekt verbunden waren. Er war aber auch davon überzeugt, dass er am Ende belohnt werden würde – und sich die Zeit mit seinen Liebsten später wieder aufholen ließe.

Das Problem war nur: Die Belohnung blieb aus. Obwohl Adams Projekt ein Erfolg wurde, bekam jemand anderes die ersehnte Beförderung und Gehaltserhöhung. Adam erhielt jede Menge Lob und Anerkennung – doch er war nicht glücklich. Abends stand er nach den langen Arbeitstagen im Stau und grübelte, was da eigentlich passiert war. Er rechnete all die Stunden zusammen, die er investiert hatte. Wofür das alles? Er hatte das Gefühl, wertvolle Zeit verschwendet – nein, verloren – zu haben.

Sicher ist Adam zu Recht unzufrieden. Doch die Forschung zeigt, dass er womöglich genauso frustriert gewesen wäre, wenn er die Beförderung und Gehaltserhöhung bekommen hätte. Egal, was unsere Bemühungen bringen: Wir alle haben zunehmend das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben. Häufig machen uns die Dinge, von denen wir annehmen, sie würden uns glücklich machen, alles andere als glücklich. Dazu zählen oft auch die hart erkämpften Erfolge im Beruf. Eines ist jedoch ganz sicher: Sie geben uns die Zeit mit unseren Familien und Freunden nicht zurück – genauso wenig wie die Zeit für uns selbst.

Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass in den USA nur noch sehr wenige Menschen das Gefühl haben, genug Zeit zu haben – also über "Zeitreichtum" zu verfügen. Das bestätigt auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup, an der 2,5 Millionen Amerikaner teilnahmen. Unsere Analyse der Resultate ergab: 80 Prozent der Befragten schaffen es aus zeitlichen Gründen nicht, ihr selbst gesetztes Tagespensum zu erledigen. Das Phänomen ist so ernst, dass es als regelrechte Zeitnot beschrieben werden kann. Als kollektives, kulturelles Scheitern daran, unsere kostbarste Ressource effektiv zu managen: Zeit.

Zeitmangel gibt es in allen Wirtschaftsschichten, und er hat tiefgreifende Auswirkungen. Die Forschung zeigt, dass jene, die sich arm an Zeit fühlen, weniger Glück empfinden und mehr Angst, Depressionen und Stress erleben. Sie empfinden weniger Freude. Sie lachen weniger. Sie lassen sich eher scheiden. Sie treiben weniger Sport und sind weniger gesund. Auch ihre Arbeitsproduktivität sinkt. Bei der Analyse der Gallup-Umfrage fanden mein Team und ich zudem heraus, dass Zeitstress sich stärker negativ auf das persönliche Glück auswirkt als Arbeitslosigkeit.

Kein Wunder, dass Zeitarmut Unternehmen jedes Jahr Milliarden Dollar an Produktivität kostet, ihre Folgen nicht eingerechnet. Experten des öffentlichen Gesundheitswesens sehen in ihr einen der wichtigsten Faktoren für zunehmende Fettleibigkeit in den USA. Wissenschaftler schätzen die Gesundheitskosten von Zeitstress auf 48 Milliarden Dollar pro Jahr.

Das Paradoxe ist, dass den meisten von uns mehr Zeit zur freien Verfügung steht als jemals zuvor. Warum fühlen wir uns dann so sehr unter Zeitdruck?

Die Antwort: Es liegt am Geld. Wie Adam tappen die meisten von uns in die Falle, Zeit für Geld zu opfern, weil wir glauben, dass Geld uns langfristig glücklicher macht.

Dieses Denken führt in die Irre. Tatsächlich zeigen Forschungsergebnisse immer wieder, dass die glücklichsten Menschen jene sind, die ihr Geld dazu nutzen, sich Zeit zu erkaufen. Meine Kollegen und ich haben uns das Leben von fast 100.000 erwerbstätigen Erwachsenen weltweit angesehen. Unser Fokus lag dabei darauf, ursächliche Zusammenhänge zu ergründen – und zwar im Zeitverlauf, aber auch in Experimenten. Immer wieder kamen wir zu dem Ergebnis, dass Menschen, die bereit sind, Geld zugunsten von mehr Freizeit zu opfern – zum Beispiel, indem sie weniger arbeiten oder ungeliebte Tätigkeiten auslagern –, erfülltere soziale Beziehungen haben, mit ihrer Karriere zufriedener sind und mehr Freude erleben. Anders gesagt: dass sie ein insgesamt glücklicheres Leben führen.

Wenn es einen Vorsatz gibt, den Sie in diesem Jahr umsetzen sollten, dann den, Ihre Entscheidungen so zu treffen, dass Sie dabei Ihre Zeit im Blick haben – und nicht Ihr Geld. Das ist schwer, denn unsere ganze Welt und auch wir selbst sind darauf gepolt, als Erstes aufs Geld zu achten. Doch Umdenken ist machbar. In diesem Artikel stelle ich Ihnen ein paar clevere Strategien vor, die Ihnen dabei helfen.

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Warum uns Geld so wichtig erscheint

Die offensichtlichste Erklärung für unseren aktuellen Zeitmangel ist, dass wir mehr Stunden damit zubringen, Routineaufgaben zu erledigen und zu arbeiten. Allerdings gibt es für diese Annahme nur sehr wenige Belege. Einige wissenschaftlich sehr gut gemachte Tagebuchstudien deuten darauf hin, dass Männer in den USA in den vergangenen 50 Jahren sechs bis neun Stunden Freizeit pro Woche dazugewonnen haben. Bei Frauen beträgt der Zuwachs immerhin vier bis acht Stunden. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeiteten die Menschen in den USA im Jahr 1950 durchschnittlich 37,8 Stunden pro Woche. 2017 waren es nur 34,2 Stunden.

Alles deutet darauf hin, dass es andere Ursachen gibt, die für die Zeitarmut verantwortlich sind: Dazu zählen Wohlstand auf der einen und finanzielle Unsicherheit auf der anderen Seite. Verschiedene Studien in Europa, Asien und Nordamerika zeigen, dass es vor allem die Besserverdienenden sind, die angeben, stärker unter Zeitdruck zu stehen. Dieses Problem scheint beinahe weltweit zu existieren: Auch eine Untersuchung in Australien mit 30.000 Teilnehmern kommt zu dem Schluss, dass höhere Einkommen mit höherem Zeitstress einhergehen. Die Annahme, dass es vor allem die zusätzliche Arbeit ist, die höhere Bezüge sowie Zeitmangel nach sich zieht, kann das Phänomen jedoch nicht erklären. Wenn man bedenkt, dass es sich viele wohlhabendere Menschen leisten können, Haushaltshilfen anzuheuern oder ein Taxi statt öffentlicher Verkehrsmittel zu nehmen, dann wirkt es unlogisch, dass sie über größeren Zeitmangel klagen.

Wenn Sie jedoch die Gütertheorie verstehen, ergibt all das einen Sinn. Dem Modell zufolge werden Ressourcen, die als wertvoll gelten, auch als knapp wahrgenommen. Je besser wir also für unsere Zeit bezahlt werden, desto mehr schätzen wir sie – und desto intensiver empfinden wir ihren Mangel.

Auch das Gefühl finanzieller Unsicherheit kann (unabhängig vom tatsächlichen Wohlstand) dazu führen, dass Menschen Zeitmangel stärker empfinden. Denn wer sich nicht sicher ist, ob er in Zukunft den gleichen Job und ein ähnliches Einkommen haben wird, dem ist es wichtiger, mehr Geld zu haben – auch wenn es Zeit kostet.

Trotz der gegenläufigen Beziehung von Wohlstand und Zeitreichtum streben die meisten von uns danach, mehr Geld zu verdienen. In den Untersuchungen meines Teams gaben nur 48 Prozent der Befragten an, dass sie lieber mehr Zeit als mehr Geld hätten. Selbst die Menschen, die mehr als alle anderen unter Zeitmangel litten – Eltern in Vollzeitjobs und mit kleinen Kindern –, teilten diese Präferenz mehrheitlich.

Auch sehr wohlhabende Menschen stellten ihre Zeit nicht immer über das Geld. Fast die Hälfte der 818 Millionäre, die wir im Rahmen unserer Studien befragten, sagten, dass sie kein Geld dafür ausgeben, ungeliebte Aufgaben an andere zu delegieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam unsere Umfrage unter 98 berufstätigen Erwachsenen: Wir wollten von ihnen wissen, wie sie einen unerwarteten Lotteriegewinn von 40 Dollar ausgeben würden, um ihr Glück zu maximieren. Nur zwei gaben an, dass sie den Betrag so verwenden würden, dass sie dadurch Zeit sparten. Zudem fragten wir 300 Erwachsene, die in einer Beziehung lebten, was sie mit 40 Dollar anstellen würden, um ihrem Partner etwas Gutes zu tun. Nur drei antworteten, dass sie das Geld dafür nutzen würden, ihren Partnern Zeit zu schenken.

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2. Beantworte die Fragen zum Text

  1. Warum fühlte sich Adam nach dem erfolgreichen Abschluss seines Projekts nicht glücklich?

  2. Wie beeinflusst das Streben nach Geld das persönliche Glück laut der Harvard-Glücksforschung?

  3. Welche Rolle spielt die Zeit im Vergleich zum Geld für das persönliche Wohlbefinden?

  4. Welche Erkenntnisse liefert die Gallup-Umfrage über Zeitmangel in den USA?

  5. Wie wirkt sich Zeitarmut auf die Gesundheit und das soziale Leben aus?

  6. Warum empfinden oft auch Besserverdienende einen Mangel an Zeit?

  7. Was besagt die Gütertheorie in Bezug auf die Wertschätzung von Zeit?

  8. Wie hängen finanzielle Unsicherheit und das Empfinden von Zeitmangel zusammen?

  9. Warum neigen selbst wohlhabende Menschen dazu, mehr Geld statt mehr Zeit zu bevorzugen?

  10. Wie können Menschen laut der Studie ihr Glück maximieren, indem sie Zeit statt Geld priorisieren?

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